Das Troppauer Hauptmittel der Barbiere und Bader und das Ärztewesen daselbst im 18. Jahrhundert.


Im  Nachfolgenden das Sanitätswesen des 18. Jahrhunderts in Troppau behandelt. Auch in dieser Zeit sind Bader und Barbiere noch immer die Volksärzte; nur in schwierigeren Fällen, welche genauere anatomische Studien voraussetzten, wurden gelehrte, graduierte Ärzte herangezogen. Überhaupt sucht man auch früher, den Hof der Przemysliden ausgenommen, wissenschaftlich gebildete Ärzte vergebens bei den Landesfürsten; noch 1566 weisen die Troppauer Bürger einen graduierten Arzt zurück und erst Ende des 16. Jahrh. wird anläßlich des Ausbruches der Pest Dr. Medrretig zum Stadtphysikus ernannt. (Vgl. Biermann, Geschichte der Herzogtümer Troppau und Jägerndorf, 5. 475.)

Die Barbiere waren die eigentlichen Wundärzte, sie allein durften frische Wunden heilen, sie waren die eigentlichen Chirurgen, während den Badern namentlich Knochenbrüche und Verrenkungen oblagen. Freilich blieb für die Bader und Barbiere neben der Ausübung der Chirurgie das Haarschneiden, Rasieren und der Verkauf von Salben auch jetzt noch die wichtigste Einnahmsquelle.

Die Staatsregierung- nahm sich des Sanitätswesens namentlich seit der Regierung Maria Theresias sehr eifrig an. Letztere erließ mit der Medizinal-Ordnung vom Jahre 1753 für Schlesiens Ärzte & Apotheker, Bader genaue Bestimmungen, nachdem sie bereits 1747 Landesphysici [1] in Troppau und Jägerndorf bestellt hatte. Für die Apotheker bestimmte die Kaiserin eine Taxordnung und systemisierte 1753 die Stelle eines Vieharztes, eines Landschaftschirurgen und eines Hebammen Lehrers. An der Spitze des ganzen Medizinalwesens stand seit 1773 der Protomedikus.[2] Später erscheint noch der Kreisphysikus, der mindestens einmal jährlich den ganzen Kreis bereisen mußte.[3] (Vgl. Biermann, 5. 6, 48).

Wie schon oben erwähnt, waren Bader und Barbiere die eigentlichen Volksärzte und bildeten eine eigene Innung. Im folgenden will ich nun an der Hand der von Maria Theresia bestätigten Innungsartikel das Arztewesen der damaligen Zeit besprechen. Die Innungsartikel sind in einem Pergamentbande mit dem kaiserl, königl. und erzherzoglichen Insiegel niedergelegt, vom 28. Mai 1757 datiert und von Maria Theresia und Joh. Graf Chotek gezeichnet. Der stattliche, sorgfältig geschriebene Band gehört der Genossenschaft der Troppauer Raseure, Friseure und Perückenmacher an und wurde von diesen den städtischen Sammlungen gegen Wahrung des Eigentumsrechtes überlassen. (lnv.-Mr. 1046.) Der erste Teil der Urkunde führt den Titel: [4]

„Special-lnnungs—Articul derer im Herzogthum Schlesien, in der KurfürstlichLiechtensteinischen Stadt Troppau befindlichen Chyrurgorum, und Barbierer Hauptmittels, und derer darein iskorporierten Mittelsgenossen“

Der Inhalt der einzelnen Bestimmungen ist nun folgender: Chirurgen oder Barbiere müssen der röm-katholischen Religion angehören, selbst gottesfürchtig sein und auch die Lehrlinge zur Frömmigkeit anleiten. Sie sind verpflichtet, an dem Fronleichnamfest unbedingt teilzunehmen, vor den Vierteljahrszusammenkünften in der Stadtpfarrkirche für die verstorbenen Mittelsgenossen eine Seelemesse lesen zu lassen, dann unter Anwesenheit des abgeordneten Kommissars die Mittelsangelegenheiten zu beratschlagen. Bleibt einer ohne Entschuldigung weg, so muß er ein Pfund Wachs Strafe zahlen. Die Chirurgen und Barbiere sind ferner verhalten, jährlich analog der Ratserneuerung geschworene Obere [4] der k. k. Sanitäts-Hauptkommission zu präsentieren. Stirbt einem Magister Weib, Kind oder jemand vom Gesinde oder auch ein Verwandter, so müssen die übrigen magistri und Gesellen den Toten zum Grabe geleiten und der Seelenmesse beiwohnen. Bleibt ein Magister oder Gesell ohne Entschuldigung weg, so muß der erstere ein Pfund, der letztere ein halbes Pfund Wachs zur Strafe büßen. (Art. 1-5). Als Bedingungen für die Erlangung des Magisteriums werden eheliche Geburt, freier Stand, drei volle Jahre Lernzeit und Wohlverhalten gefordert. Seine Tauglichkeit und seine praktischen Kenntnisse werden von der Sanitäts-Kommission geprüft, auch dann, wenn er bereits anderwärts approbiert sein sollte, ausgenommen den Fall, daß er sich mit einem Zeugnisse der Wiener Fakultät ausweisen könnte, In letzterem Fall hat derselbe nur die gewöhnliche Prüfungsgebühr zu erlegen.

Die Prüfung ist eine theoretische vor der Kommission und eine praktische vor dem ganzen - Mittel: Anlegung von Bandagen bei Beinbrüchen bei Kopfverletzungen usw. besteht der Prüfling diese nicht, so muß er eine bestimmte Zelt zum Gesellenstand zurückkehren. Bei gar zu großen Mängeln verliert er ein Jahr und wird zu wandern angewiesen; erst dann kann er wieder einer Prüfung sich unterziehen. Mit Erlangung des Magisteriums aber muß sich derselbe der k. k. Sanitäts-Hauptkomniission sowie dem Magistrate vorstellen und um Aufnahme als Mitbürger ansuchen. Der Aufnahme folgt die Taxenzahlung und zwar in die Mittels-Lade 15 Gulden Aufnahmsgebühr, 1 Gulden 10 Kr. Einschreibgebtlhr und 35 Kreuzer für den Mittels-Aufwärter oder Ansager; zu Gastereien soll er nicht verbunden sein. Diejenigen, die ihre Tätigkeit aufs Land verlegen und sich in das Troppauer Mittel inkorporieren lassen wollen, zahlen die halben Gebühren. (Art. 6-11.)

Stirbt ein Magister, so kann die Witwe durch einen Gesell das Geschäft weiter führen, doch muß sie den üblichen Vierteljahrs-Groschen zahlen und den sonstigen Schuldigkeiten nachkommen; stirbt die Witwe oder verheiratet sie sich nicht an einen Barbier, so kann das Geschäft an einen approbierten Barbier veräußert werden. In schwierigen Krankheitsfällen sind ein oder mehrre andere Chirurgen heranzuziehen oder unter Umständen ein concilium unter dem Vorsitze eines medicinae Doctor abzuhalten. Winkelärzten, Landfahrern, alten Weibern, Zahnhrechern, Quacksalbern, Schäfern, Scharfrichtern und Schindern, die namentlich auf Jahrmärkten ihr Unwesen treiben, ist die Praxis ernstlich zu verbieten und dieselben sind auch zu bestrafen. Die Bader dagegen können gleich den Barbierern und Chirurgen ihre Kunst mit einigen Einschränkungen ausüben. (So dürfen sie nicht frische Wunden heilen überhaupt schwierigere Fälle nicht übernehmen).

Kein Magister darf sich unterfangen, dem anderen einen Gesellen, noch weniger seine Patienten und Jahreskunden abwendig zu machen, es sei denn, daß letztere selbst einen anderen Magister verlangen. Die Abwendigmachung ist mit einer Geldstrafe zu sühnen, deren eine Hälfte in die Armenkasse, die andere in die Mittelslade zu erlegen ist. (Art. 12—15).

Wird ein Magister vor das Mittel gerufen, so darf er ohne Entschuldigung nicht wegbleiben; im Letzteren Falle wird er zum erstenmal zu einer Strafe von einem Gulden, zum zweitenmal von zwei Gulden usw. verurteilt, wovon die eine Hälfte in die Armenkasse, die andere in die Mitteislade fällt,

Kein Magister darf zu einer Mittelszusammenkunft mit einem Gewehr kommen; er muß ehrbar und nüchtern sein, sich von Zank, Händeln und Sticheleien fern halten, widrigenfalls ihm Strafe droht. Sollte der Sohn eines Magisters oder ein fremder Gesell eine Mittelswitwe oder die Tochter eines anderen Magisters heiraten wollen, so soll er von der Ablegung des Magisteriums nicht befreit sein.

Der jüngste Magister soll in Mittelsangelegenheiten dem Ober-Ältesten stet gehorsam sein. Außer den ordentichen Vierteljahrs-Zusaminenkünften gibt es bei besonderen Veranlassungen auch außerordentliche. Derjenige, um dessentwillen sie einberufen werden, soll, falls einheimisch, einen halben Thaler, falls fremd, das Doppelte bezahlen. (Art. 16—20).

Die Zahl der Chirurgen ist eingeschränkt. Außer dem autorisierten Landes-Chirurgen soll es nur drei privilegierte Barbierstuben geben und eine Änderung hierin nur Ihrer k. k. Majestät zustehen. Bei öffentlichen bürgerlichen Aufzügen muß jeder der Chirurgen mit dem Barbier Becken erscheinen.

Zu Pest- und Epidemiezeiten müssen sie auf Befehl der Stadtobrigkeit in den Lazaretten den Dienst machen, wofür sie gemäß dem Stadtratbriefe vom 31. März 1643 eine Entschädigung von 50 Gulden Rheinisch außer dem laufenden Verdienste erhalten.

Endlich sollen auch die Chirurgen der Distrikte Leobschütz, Teschen, Bielitz und die diesen unterstehenden Marktflecken sich des von Alters her gewohnten Siegels und Wappens auch weiters bedienen, welches einen Schild darstellt unten mit drei Arzneibüchsen, im oberen Felde die heiligen Cosmas und Damian. Letztere haben einen dunklen Purpurtalar, ein rotes Bürett und einen roten Doktorkragen, in der einen Hand eine Arzneibüchse, in der anderen einen Palmzweig. Um den Schild herum schlängelt sich ein Lindwurm, der Rand trägt im Kreise die Inschrift: Sigill des Barbier-Hauptmittels in Troppau 1757.

Der zweite Teil des Buches führt die Aufschrift: Gesellen- und Lehrjungen-Constitution und enthält folgende Bestimmungen:

Ein Lehrjunge, der nach der Auslernung beim Magister bleibt, darf nur 15—18 Kreuzer Wochenlohn erhalten. Die Zahl der Gesellen und Lehrjungen hängt von dem Bedürfnis und Ermessen des Barbiers oder Baders ab. Das Abreisen muß jeder Gesell dem Magister vier Wochen vor Ostern oder Michaelis anmelden; tritt der Gesell ohne Ursache aus, so verliert er einen vierwöchentlichen Lohn. Auch der Magister muß dem Gesellen, wenn er ohne Ursache und unbekümmert um die beiden Termine, ihn entläßt, einen vierwöchentlichen Lohn über den normalen Lohn zahlen.

Außer diesen Terminen darf kein Gesell austreten, auch nirgends aufgenommen werden. (1—4). An Sonn- und Feiertagen müssen die Gesellen abwechselnd in der Stube bleiben, diejenigen, welche Ausgang haben, müssen angeben, wo sie zu finden sind; dabei darf der Gottesdienst nicht versäumt werden.

Kein Geselle darf, außer er hat Patienten zu beobachten, über 9 Uhr abends ausbleiben. In letzterem Falle wird er ein Pfund Wachs zu zahlen verurteilt; er darf keine Patienten zu irgend etwas verleiten. Den Verdienst außer der Stube ist der Geselle dem Magister getreulich abzuführen verpflichtet, im entgegengesetzten Falle soll er entsprechend dem Verdienst vom Magistrate bestraft werden. (5—8). Für Erhaltung armer und erkrankter Gesellen, für Rechtshändel und andere Vorfälle soll jeder Gesell wöchentlich 2, der mittlere aber 1 Kreuzer in die Büchse legen, das Geld kommt nach beendigter Auflage in die ordentliche Lade.

Bei angesagten Zusammenkünften darf kein Geselle ohne Grund fortbleiben bei einer Strafe von 20 Kreuzer bis 2 Gulden; er darf kein Gewehr mitbringen, sonst wird er beim Magistrat angezeigt, so auch, wenn er in der Versammlung schilt, schimpft oder stichelt (9—12).

Fremde Gesellen müssen sich beim Ober-Ältesten anmelden, und wenn sie einen Dienst erhalten, 12 Kreuzer in die Lade erlegen. (13).

Ein neuer Lehrling muß die Geburtsurkunde und die herrschaftliche Zustimmungserklärung zur Aufdingung vorweisen und außer der Aufdingungsgebühr 45 Kreuzer Einschreibgeld und dem Mittels-Ansager 15 Kreuzer erlegen. Unter Bürgschaftsleistung zweier Bürger wird er alsdann für 3 Jahre als Lehrjunge aufgedungen. Das bedungene Lehrgeld verfällt zu Gunsten des Magisters, wenn der Lehrling ohne Grund austritt. Der Lehrling darf nicht zu schweren Arbeiten von der Frau des Magisters angehalten werden. Nach 3jähriger zufriedenstellender Lehrzeit erhält er gegen Erlegung einer Taxe, die dem Aufdingungsgeid und der Summe für den Mittelsansager entspricht, den Lehrbrief und wird zum Gesellen befördert. (14—15).

Zum Schlusse wird noch aufmerksam gemacht, daß in besonderen Fällen bei den Mittelszusammenkünften den Mitgliedern die darauf bezüglichen Punkte der Medizinal-Ordnung vorn Jahre 1753 sowie General-Patente und Polizei-Anordnungen öffentlich und vernehmlich vorgelesen werden sollen.

Die Kaiserin erklärt nun feierlich, daß sie die Satzungen der Innung bestätigt, doch mit dem Vorbehalte der Abänderung oder auch ganzlichen Aufhebung, und wünscht, daß die Chirurgen und Barbiere diese Privilegien segensreich gebrauchen mögen; Obrigkeiten, Standes- und Amtspersonen, besonders die schlesische königliche Repräsentations-Kammer mögen, so notwendig, diesem Mittel jeden Schutz gegen Obergriffe und Schädigung angedeihen lassen. Entgegenhandelnde sind mit einer Strafe von zehn Mark löthigen Goldes zu belegen.

Fußnoten:

1) Die Stadtphysici wurden von der Stadtkommune bestellt.
2) Seit 1824 mit dem Brünner Amte vereinigt.
3) Erst seit 1850 wurden k. k- Bezirksärzte ernannt.
4) In der Regel bildeten ein Geschworenenvater (Ladenvater) und drei Geschworenenmeister (Beisitzer) den Zunftvorstand. Dazu kamen, zwei Ratskommissäre.

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