Die symbolische Deutung der Ritterwaffen

(Nach J. M. Gassier, Histoire de la Chevalerie Francaise, Paris)

Nicht unbekannt ist es, wie sehr es sich von jeher die Franzosen haben angelegen sein lassen, von dem Ritterwesen über­haupt sehr viel zu sagen, und wie sie sich Mühe geben, in diese und jene Beschreibung, um den darüber gemachten Brei zu würzen, etwas Ritterliches (Chevalereskes möchten wir sagen) hineinzuwerfen, das dem Ganzen eine blendende Haltung geben sollte. Das Ritterwesen wurde in Frankreich wie eine Gartenblume des Staats und der Politik gewartet, gepflegt, gezogen und geschützt; so konnte und musste dasselbe gedeihen. Sorgfältig wurde es kultiviert, indem es in Deutschland wild aufwuchs, dabei kräftiger, aber wild blieb. Der bekannte Rüxner in seinem fabelhaften und alles nur nicht histor­ischen Turnierbuch, Graf Solms, Spangen­berg, Megiser u. a. schrieben über diesen Gegenstand, doch nicht mit der Salbung, wie etwa der romantische König Rene oder wie ein Fauchet, Vulson de la Colombiere, Menestrier, Graf Tressan, St. Palaye, der er­fahrenste unter allen französischen Schrift­stellern über das Ritterwesen und andere. Keiner von allen hat sich aber über die sym­bolische Deutung der Ritterwaffen ausgelassen bis auf Gassier, der in seinem obenangeführten Werke ein eigenes inte­ressantes Kapitel über die Waffensym­bolik gegeben hat, welches wir mit einigen Bemerkungen folgen lassen. In das fran­zösische Ritterwesen mischte sich ja durch­gehends etwas Romantisches, welches in Deutschland nie recht aufkommen wollte, wo es weniger Ritter gab, die wie die Franzosen zu irrenden oder sog. fahrenden Rittern, zu Ariostischen Paladinen und spanischen Welt-Durch­ziehern, sich hinaufstimmen konnten. Es hat wohl einzelne solcher romantischer Ritter auch in Deutschland gegeben, aber das Ganze konnte und wollte nie abenteuer­lich genug werden und nur in den Turnieren späterer Zeiten, als das Lesen schriftlicher Überlieferungen auch in Deutschland allgemeiner wurde, gab es dergl. Darstellungen. Sie blieben aber immer nur Darstellungen, und hatten wohl auf die Höfe und Hofleute, nie aber auf die Ritter selbst unmittelbaren Einfluss. Auch hatte damals schon die Ritterzeit ihre Bahn durchlaufen bezw. ihren Höhepunkt erreicht und repräsentierte sich nur noch zuweilen theatralisch oder wie der Schatten eines Abgeschiedenen. So lassen wir nun über diese längst verflossene romantische Zeit und ihr Wesen dem kundigen Fran­zosen Gassier das Wort:

Das Schwert,

welches dem Ritter in Gestalt des Kreuzes gegeben wurde, zeigt an, dass Jesus Christus die Sünde und den Tod am Baum des Kreuzes besiegt habe; ebenso sollte der Ritter durch sein kreuzförmiges Schwert seine Feinde überwinden. Der Ritter erhielt auch das Schwert, dieses echte Symbol der Wehrfähigkeit, um die Gerechtig­keit zu verteidigen und zu handhaben, was durch dasselbe angedeutet wird. Der Kreuz­form des Schwertgefässes halber wurde auch auf das Schwert geschworen (Rothe, de gladiis veterum, Havre 1752; Benedictio super gladium; Selden, titles of honor p. 227). Noch bei den alten Landsmannschaften der deutschen Hochschulen und heute noch bei den Nachfolgern derselben, den aka­demischen Korps, wird auf die Klinge geschworen. Die Waffe der Artillerie in Deutschland schwörte noch Anfang des 20. Jahrhunderts, in Ermangelung einer Fahne, zum Säbel.

Die Lanze

ist dem Rittersmann gegeben als Symbol der Wahrheit, weil sie gerade ist, und das Eisen, die Spitze der Lanze, zeigt die Macht und das Übergewicht an, welches die Wahrheit über die Lüge hat; und das Fähnlein oben zeigt an, dass sie die Wahrheit der ganzen Welt offen zeigt (wenn die Spitze sich in der Form eines Kleeblattes zeigte, wurde sie courtoise genannt) Malliot. Costumes 111. Pl. 27).

Der Helm,

ein Hauptbestandteil des Wappens, soll die Scham, Zucht und Demut anzeigen, denn wie diese drei Eigenschaften denen, die sie besitzen, die Augen zur Erde wenden, so lässt der Helm den Ritter nicht in die Höhe sehen, verhindert ihn, zu stolz zu werden, und so wie der Helm das Haupt, das vor­züglichste aller menschlichen Glieder deckt, so verhindert die Scham den Ritter, schlechte Handlungen zu begehen, und der Adel seines Mutes wird sich nie der Bosheit noch der Betrügerei überlassen. (Im Helme konnte keine erniedrigende Handlung, nicht einmal ein Gebet vorgenommen werden ( Koeler, Hist. Dom. et Comitum de Wolf­stein, Ups. 1726.)

Der Brustharnisch

oder der Leib des Harnisches (der Krebs) zeigt ein Schloss oder eine Feste an, gegen die Laster, ein Bollwerk gegen dieselben, denn wie eine Feste mit starken Mauern umringt und mit guten Graben umgeben ist, damit die Feinde nicht hineindringen können, so muss der Harnisch von allen Seiten verschlossen sein, damit der Ritter verstehe, dass er sein Herz wohl verwahre, damit keine Verräterei, kein Stolz oder irgend eine Untreue hineindringen könne.

Der Beinharnisch

und die eisernen Schuhe sind dem Ritter nicht allein zur Beschützung des Schenkels und des Beines gegeben, sondern um ihm auch anzuzeigen, dass er die Diebe und Räuber auf den Heerstrassen bekämpfen und verfolgen soll.

Die Sporen

sind ihm gegeben, damit er hurtig in seinen Unternehmungen und zu allen seinen Hand­lungen durch den Sporn der Ehre angetrieben sei. Die Sporen waren das vornehmste Zeichen der Ritterschaft und aus Gold; sie zu tragen, war ja ein allgemeines altes Vorrecht der Ritterschaft. Denen, welche sich fälschlich für Ritter ausgaben, wurden sie auf dem Miste abgenommen (Pistorii, Amoenitat., Hist. Jurid. I. p. 71. VI. Praefat. 523). Ueber den »Sporn in seiner Formenent­wicklung, ein Versuch zur Charakterisierung und Datierung der Sporen unserer Kultur­völker« ist in neuester Zeit eine beachtens­werte Arbeit von R. Zschille und R. Forrer (Berlin, 1897, bei P. Bette) erschienen.

Der Streitkolben

ward dem Ritter gegeben, um die Stärke des Mutes anzuzeigen, denn wie der Streit­kolben (welchen man in Deutschland zu­weilen auch Kürasprügel nannte) gegen alle Waffen tauglich, so verteidigt die Stärke des Muts den Ritter gegen alle Laster und vermehrt seine Tugend, um sie zu verjagen und zu besiegen (die Streitkolben hingen wohl an Ketten am Brustharnisch, um gleich bei der Hand zu sein, Colombiere, la science heroique, p. 439).

Der Dolch.

Zu den Angriffswaffen der alten Ritter gehörte ein kurzes Schwert oder Dolch, den sie Misericorde nannten, denn wenn sich die Ritter im Handgemenge befanden oder den Feind niedergeworfen hatten, und wenn sie nicht mehr mit ihren Lanzen oder Schwertern wegen ihrer Länge zu recht kommen konnten, so nahmen sie zu dem Dolche ihre Zuflucht, um den Gegner zu zwingen, um Gnade zu bitten. Diese Art Waffe zeigt an, dass der Ritter nicht so sehr auf seine Stärke noch auf seine Waffen vertrauen soll, wenn er nicht vornehmlich seine grösste Hoffnung auf die Barmherzig­keit Gottes hätte. Die französischen Ritter nannten den Dolch deswegen Misericorde, weil er, geschwungen, das Instrument des Todes war. Rief der Unterliegende nicht sogleich: Misericorde!, so wurde mit dem Dolche ihm die Gurgel durchschnitten (Daniel, histoire de la Milice Francaise, I. p. 302, über verschiedene Arten des Dolches siehe »Mitteilungen aus dem germanischen Museum in Nürnberg«, I. (1884) S. 40-42, 117-120, 258-259 usw.). In dem be­rühmten Zweikampfe des Grafen Hans von Sonnenberg, eines geb. Truchsessen von Waldburg mit einem wälschen Ritter Antonio Maria, dem Sohne des venetianischen Feldherrn Ruperto von Sanseverino vor Rovo­redo im Jahre 1487 war dieses Zeichen (nicht Misericorde) St. Katharina; wenn einer der Kämpfenden dieses schrie, sollte sofort zugelaufen werden. Nach längerem Kampfe gewann der Deutsche die Ober­hand, brachte den Dolch seinem Gegner in die Blösse und stach ihm denselben von hinten hinauf an dem Beine, 3-4mal in den Leib, bis er stecken blieb und der Wälsche hart verwundet war. Da schrie letzterer das Zeichen: Santa Catharina! Wo­rauf Waldburg von ihm losliess und die Grieswärtel (Gri(e)swärtel - nicht Kreiswärtel, wie da und dort geschrieben zu lesen, vom altdeutschen Wort Gris = Sand-, Kampfbahn (Arena)) hinzusprangen, um sie aus­einander zu bringen und der Deutsche als Sieger aufstand. - Anders bei einem im Jahre 1485 stattgehabten Zweikampfe eines Gräter von Hall mit einem Baustetter zu Schwäbisch ­Hall, welche Reichsstadt von uralten Zeiten her ein erst im 16. Jahrhundert einge­gangenes sog. »Kampfgericht« unterhielt. Da brachte der erstere den letzteren unter sich und begehrte von ihm, sich zu ergeben, aber Baustetter erwiderte: » Was soll ein Mann ohne Ehre«? Darauf stach Gräter ihn mit dem Dolch in das Auge und tötete ihn.

Der Schild

ist dem Ritter gegeben, um seine Pflicht und sein Wappen, das auf demselben an­gebracht ist, soweit dem Gegner und jeder­mann offen, frank und frei anzuzeigen, wer er sei, denn, wie der Ritter den Schild zwischen sich und seinen Gegner hält, so ist der Ritter derjenige, der die Mitte zwischen dem Fürsten und dem Volke hält bzw. einnimmt, und wie der Hieb von Feindes Hand eher auf den Schild als auf den Leib des Ritters fällt, so soll er seine Person darbieten und als Vormauer vor seinem Fürsten stehen

Die Panzerhandschuhe

zeigen an, dass, wie man sie in die Höhe hebt, um seine Feinde zu schlagen und zu besiegen, so soll man auch die Hand in die Höhe heben, um Gott wegen des Sieges zu danken. Indem diese Handschuhe die Hände schützen, zeigen sie an, dass die Ritter Sorge tragen sollen, damit nichts Schlechtes anzurühren und sie abzuhalten von Diebstahl, Raub, von falschen Schwüren und allen andern unziemenden Dingen. Die Handschuhe werden gebraucht, zum Kampfe zu fordern - »den Fehdehandschuh hin­werfen« - zu Traditionen und als Pfand zu haltender Treue. Konradin v. Schwaben, der letzte Hohenstaufer, warf vor seiner Hin­ richtung zu Neapel im Jahre 1268 seinen Hand­schuh vom Blutgerüst hinab, damit er dem König Peter von Arragonien, seinem An­verwandten, als ein Zeichen überbracht werde, dass er ihm alle Rechte auf Apulien und Sicilien übertrage. Ritter Heinrich Truchsess von Waldburg nahm nach einer älteren, historisch zwar nicht erwiesenen, neuerdings stark bestrittenen Überlieferung den Handschuh auf und erfüllte den letzten Wunsch seines Fürsten (Pistorius I, p.217; du Fresne, glossar, 11. p. 576; Gryphi­ander de Weichbildis, c. 74, Nr. 10; Speidelii Specul. juridic., p. 567). jedenfalls ist nicht richtig, dass deshalb die Truch­sessen die drei schwarzen, zum Laufe ge­richteten, übereinander links gehenden Hohenstaufischen Löwen (alias Leoparden) in ihr Wappen aufnehmen durften, sofern diese Wappentiere der Truchsessen aus dem welfischen Wappen stammen und früher in das Waldburgische Wappen gekommen sind.

Das Pferd (Streitross)

ist dem Ritter gegeben, um den Adel, Mut, Eifer, die Großmut zu bezeichnen, die ihn in allen seinen Handlungen und Taten begleiten sollen, um höher zu erscheinen, als die andern und dass seine Tugend von Ferne leuchte (s. Jähns Max, Ross und Reiter in Leben und Sprache, Glauben und Geschichte der Deutschen, wie kulturge­schichtliche Monographie, 2 Bde. Leipzig, Verlag von Fr. Wilhelmine Grunow)

Der Zaum und das Gebiss

sind den Pferden und die Zügel den Händen des Ritters gegeben, um das Ross nach seinem Belieben zurück zu halten und zu lenken. Das zeigt an, dass ein ganz edles Herz seinen Mund zähmen und alle Ver­läumdung und Lüge fliehen soll, dass der Ritter seine Freigebigkeit mässige, um nicht durch eine unbedachtsame oder gar über­mässige Ausgabe unglücklich zu werden; dass er allen seinen Leidenschaften den Zaum anlegen oder durch die Vernunft dieselben leiten lassen solle (s. auch »Die Pferdetrense in ihrer Formenentwicklung, ein Versuch zur Charakterisierung und Datierung der Mundstücke der Pferdezäumung unserer Kulturvölker«, von R. Zschille u. R. Forrer, Berlin, i. V. von P. Bette 1897).

Das Wappen,

zu dessen wesentlichen Bestandteilen der Schild und der Helm gehört, gab man den Rittern auf den Schild und auf ihren Wappenrock, damit sie in den Schlachten und Turnierungen erkannt würden, damit ihnen Ehre oder Schande, die sie verdienten, nachdem sie gut oder böse gehandelt hatten, Widerfahren konnte. Das Wappen ist der Charakter ihrer Tugend, und der Adel ist die grösste und rühmlichste Be­lohnung, die ihm gegeben werden konnte. Denn man konnte als Ritter nicht auf­genommen werden, ohne den Adel zu besitzen. Ueber Helmbüsche, Binden, Schürze, Gürtel, Wehrgehänge, Ketten, Ringe, Steig­ bügel, über welche in neuester Zeit eigene Werke von A. A. Schlieben: »Geschichte der Steigbügel«, 1892, dann von R. Zschille und R. Forrer: »Die Steigbügel in ihrer Formentwicklung, Charakterisierung und Datierung der Steigbügel unserer Kultur­völker«, Berlin, i. V. von P. Bette, 1897) erschienen sind, Schnallen (Fürspang) usw. Ist nichts bekannt, obwohl sich auch diese zu den Ritterwaffen und zum Ritterschmuck gehörigen Putz- und Waffenstücke in den Kreis der symbolischen Deutung hätten einbeziehen lassen, da das ganze Ritter­wesen emblematisch genommen werden kann. Ebenso liesse sich noch vieles über die Devisen sagen, welche Schilde, Helme, Harnische der Ritter zierten. Die Zeiten des romantischen Ritterwesens, wiewohl in sich selbst ganz einfach, geben einen so vielseitigen Spiegel, dass derselbe allent­halben auf jeder Seite, Bilder voll Gehalt und Deutung zeugt.

Nachbemerkung. Eine beachtenswerte Arbeit stammt von Dr. Heinrich Gustav Thierl: »Zur Symbolik der Abzeichen aller Ritterorden« im Jahrbuch des ,.Adler«, XIII.Bd. Wien 1903. S. 83-103 siehe dort.

 

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