Das Bild der Schlesierin in den Berichten des XVII. Jahrhunderts


Wißt ihr, was Hausfrau‘n sind?
Die Pflegerin von Mann und Kind.
Sie steht früh auf, ist sauber für und für,
Hält sparsam Geld und Gut zusammen,
Gibt reich dem Armen an der Tür.
Als gute Fee nährt sie des Hauses Flammen.
Beim Spinnen singt sie Lieder, dies und das;
Stellt frische Blumen in das Glas,
Erzählt den Kindern abends holde Märchen
Und zupft dem Ehemann die grauen Märchen.
So macht sie reich zum Paradiesestraum
Der ärmsten Hütte dumpfen Raum.
Sie betet am Altar für ihren Mann
Und für sein Werk, das er mit Müh‘ ersann.
Sie ist sein bess‘res Teil, hat Mund und Herz
Am rechten Fleck und zaubert still Behagen
Ins ganze Leben allerwärts.
Das ist das deutsche Weib seit alten Tagen,
Auf ihre Treue könnt ihr Felsen bau‘n.

Diese schlichten, aber ehrlichen Worte eines Modernen, Julius Grosse‘s, schweben dem vor Augen, der Berichte aus dem 17. Jahrhundert liest, in denen die Schlesierinnen charakterisiert werden. Die Berichte, die ich im folgenden benütze, stammen aus Werken, die einen hohen kulturgeschichtlichen Wert haben. Daher verdienen sie es, aus dem Dunkel der Vergessenheit hervorgezogen zu werden. Das Hauptmaterial lieferte mir das Stadtarchiv von Teschen. Auf einen großen Teil des Materials stieß ich ferner während der Studien zu meiner literaturhistorisch-kritischen Arbeit über den vergessenen schlesischen Dichter Dr. Balthasar Ludwig Tralles ,

*) Tralles — ein Breslauer Arzt — lebte 1708—1797 und hinterließ nebst Epigrammen auch ein 10 Gesänge umfassendes Gedicht über das schlesische Riesengebirge. (Leipzig-Breslau 1750. Verlag Michael Huberts.) Ober dieses Epos verbreitet sich meine Studie. Man vergl. dazu Dr. Jos. Karl Hoser: Das Riesengebirge und seine Bewohner. Prag 1841.

welche Arbeit in der Zeitschrift des deutschen Vereines für die Geschichte Mährens und Schlesiens in Brünn erscheinen wird.

Schickfuß (Neu vermehrte schlesische Chronik und Landesbeschreibung von Jacob Schickfuß, Breslau 1625) , Henelius (Nicolai Heneli U. J. D. Silesiographia Francofurti Typis Joannis Bringen, impensis vero Joh. Eyringij et Job. Perferti. Bibliop. Vratisl. MDCXIII.) und die Historia orbis terrarum geographica et civilis (Hist. orb. terr. geographica et civilis. Editio V. correctior. Francofurti et Lipsiae apud Henr. Joh. Mayen haened. et Oodofr. Zimmermann MDCIIC.) - sie alle sind laudatores mulierum, für uns natürlich laudalores pristini temporis. Zunächst ist interessant was Henelius über die ingenla et niores Silesiorum sagt (Cap. V.)

Coeli atque asirorum interpretes Silesiam nostram virginis et Mercurii tutelae subjiciunt. Fluic coeli constilutioni Curaeus ingenia Silesiorum respondere scribit.

Nach ihm sind die Schlesier Sanguiniker und Melancholiker. Sie zeigen auch “tristitiam quandam naturalem, niorositatem, ... vel subagrestem quandani pudorem.” Dasselbe berichtet auch Schickfuß (IV. Buch), der uns auch mit einem königl. Ratsurteil die hervorragenden ingenia der Schlesier beweist.

Esto Asinum quondam deglutivisse Silesos
Obycere ut Slesis ille vel iste solet.
Ast Asini cerebrum non glutivisse Silesos
Inviti proceris Regis et acta docent.
Hine et sunt adeo cautique catique Silesi,
UI vincant alios dexteritate viros.

Si addam ego - heißt es bei Henel. C. 5 - Silesos sine mala malitia, mente candida ei simplici, magisque falli quam fallere aptos, nihil opinor falsi dixerim. Die Strabonische Lehre ist da also verwertet: Himmel und Luft beeinflußen die Ingenia der Bewohner. Statura heißt es weiter bei Henel. C. 5

mediocris: habitudo corporum optima, membrorum ac lineamentorum compositio elegans tum naturalis quaedam formae bonitas: in feminis praesertim et puellis, quae formae genuino et non fucato nitore lacteoque candore gentis finitimas provocant ut jam olim auctor magni chronici Noribergensis sexum femineum in Silesia venustum esse ei affabileni, falsa tamen pudicitia scripserit

Mit besonderer Hochachtung sprechen die Berichte von den schlesischen Müttern, auf deren Wirksamkeit und gutes Beispiel die Liebenswürdigkeit der schlesischen Mädchen zurückzuführen ist. Wir werden sehen, daß auch hochadelige Damen dem sexus femineus als nachahmenswerte Muster vorangeleuchtet haben.

Über die Haushaltung und Erziehung wird uns berichtet: In der bürgerlichen Haußhaltung — sagt Schickfuß — gehe! es fein gottseliglich, nüchtern, gesittiglich und ordentlich zu, Denn Kinder und Gesinde werden täglich zum Gebet und christlicher Übung gehalten. Die Kinder müssen Morgens item vor- und nach Disch mal und ehe sie zu Bette gehen, ihr Gebet thun. Sie haben auch neben den Eltern zu heußlichen Auffsehen ihre besondere gelehrte und fleißige Paedagogos. Bei Henellus lesen wir C. 5, 5. 52:

Juventutis quod attinet educationem ad paedagogia et rnagistros niares liberos mittere et primis literarum elementis inibuere, pauperibus aeque ac locupletibus, nobilibus ac plebelis studium est. Puellae etiam nobiles et urbanae vel in scholis vel domi vernacula lingua legere, literas pingere ei numerare discunt. Adultiores, puellae quidem, rel familiari et sexul consentaneis artificiis, qualia sunt nere, acu pingere, texere, coquere etc. manus admovent. Nisi quod alicubi etiam materculae reperiantur, quae filiassuas, quas &Xpj86v vident esse ö1iLc&ow, ne tone macieni contrahant, ei faciei sibi pravitatern aftricent, ab omnibus laboribus et curis doniesticis studiose submovent atque arcent.

Die Haußmütter -schreibt Schickfuß- schön von Gestalt, züchtige und vernünftige Matronen, unterweisen ihre Töchter in aller gottseligkeit und gewehnen sie zur Zucht Reinligkeit und fleissiger Haußhaltung, daß man also in vielen gottseligen Geschlechten ein Exempel sihet des Wundsches davon der königliche Prophet David saget psal. 144: Daß unsere Söhne auffwachsen in ihrer Jugendt wie die Pflantzen und unsere Töchter wie die außgehawene Ercker gleich wie die Palläst also daß die wolgestalten Jungfrauen nicht allein den schmucken Kirchen und Erckern gleich sondern auch innerliche Tempel und Wohnungen des hl. Geistes seyn, in denen das wahre Erkenntnis Gottes und viel schöner Tugenden scheinen und leuchten. Cap. 6, Buch 4 steht folgendes: Im Haußwesen ist der Haußmütter großer Fleiß und Vorsichtigkeit eine sondere Zierde als die fürnehmlich das Haußwesen bevorn auß in den Küchen üben und führen. Deren Exempel folge ihre wolgestalte züchtige Töchter mehrenteils hernach die werden von den Müttern zum Erkenntniß und Fürchte Gottes zu guten Sitten und Geberten zur Reinlichkeit und Sauberkeit und zur Haußhaltung von Jugend auff geleitet und gezogen. ( Auch in Tesche n (Cap. 17 8. 4) werden die Mädchen und Knaben zu Gottesfurcht und Fleiß erzogen, ebenso in Grünberg (Cap. 26), wo auch ein »gut und löblich Stadtregiment« herrscht.)

Wir ersehen also aus allen diesen Angaben, daß die schlesischen Mütter mit wenigen Ausnahmen hochachtbare Hausfrauen und hochachtbare Erzieherinnen gewesen sind. Aber auch die schlesischen Familienväter erfaßten die Pflicht der Erziehung voll und ganz. Wir lesen bei Henelius S. 54-55:

Rem familiareni Silesii diligentissime curant adeo quidem, ut non dubitem adfirmare, non esse aliam hodie provinciam, quae plures habet strenuos ei industrios patres familias, in re praesertim rustica, quam haec ipsa patria mea. Neque de viris illud solum dico, sedetiam de matronis, quibus plerisque pulcherima diligentiae aemulatione flagrantibus unum hoc studium est: ut cum negotiis maritorum rationem parem faciant, eaque sua cura majora atque meliora reddant.

Schule und Haus gingen also damals Hand in Hand und verfolgten ein Ziel: die Mädchen zu ehrenwerten, brauchbaren und gesuchten Gattinnen auszubilden. Wie hatten sich die Zeiten schon 1906 verändert! (Darüber klärt uns ein Schriftchen aus dem Jahre 1906 auf: »Die überhandnehmende Verrohung von Jugend und Volk« von Fritz Frentzel (Verlag Gerold in Pössneck)) Die Mädchen wurden auch mit dem Wert der Einfachheit Mäßigkeit und Sparsamkeit vertraut gemacht, was uns die Kapitel Victus und Vestitus beweisen. Wir hören aber auch von Verschwendung und Luxus. Henelius erzählt uns:

Vietus in Silesia mundior et elegantior, quin etiam parabilior, quam inter alias gentes. Plebs urbana ei agrestis domesticarum pecudum carne, lacticiniis, oleribus ei pane cum hordeaceo tuni sili gineo victicat. Urbanis ditioribus t nobilibus ampliora praedia possidentibus victus dapsilior ei preciosior, ut qui mensas cum alitibus domesticis tum feris animalibus avibusque ei piscibus lautioribus talibusque aliis, in quibus permagnus est aromatum, saccari et aliorum condimentoruni usus, cumultate insiructos haben!. Nec oleribus exquisitis ece carent aut beflariis, aliisque ciborum deliciis, ac cupedils non magis dominatis, quam aliunde petitis. Et hanc etiam provinciani sumptuosus exterorurn luxus nonnihil contaminavii. Ut minime mirum au! novum videri debeat, si nonnulli, quibus modulus culina est, comesis devoratisquepatrimoniisdecoquani,nec‘posteris suis quicquam praeter luctum ei guerelas relinquant

Das sind schwerwiegende Worte, aus denen echter taciteischer Ernst und Freimut spricht. Wir werden noch Gelegenheit haben, diesen Ernst und Freimut auch bei Schickfuß anzutreffen. Auch Kleiderluxus kam vor, gegen den Henelius ebenso scharf loszieht wie gegen den Speisen- und Getränkeluxus. Seite 58 sagt er:

Eum autem in modum a paucibus annis, ut est hoc aevum, in quo vitia quasi herba irrigua succreruni uberrime, in corpöris cultu ei vestitu luxus ‘invaluit, rerumque potiri coepit, ut nec is ullis videatur legibus coerceri posse. Apud segniorem potissimum sexum, qui maxime hic modum excedit. ltaque videas passim, quae instar avis Junoniae se nova vestium peregrinitate quotidie jacient, ei crines, spiras, aures, collum, digitos, manus stolas modo curtas modo fyrniaia irahentes a tergo septenum pedun,, crepidas iiem et calceos argento auro gemmis et margaritis exornent preciosis, quibus toii nonnunquam impensi census. Cui quidem mab optimum si quid judicare possum, remedium: si magni minoribus praeireni et summates atque nobiles exemplo suo, quod cupide inferiores amplectuntur, inter decoris orbitas plebem redigerent. Quod dum non fit, nequicquam speramus, sublaium in maluni quasi sentina Resup. mergit.

Welch flammende, unerschrockene, herrliche Worte! Kann man Modedamen und Koketten schärfer fassen? Wir müssen aber festhalten, daß dieser Luxus nur von wenigen getrieben wurde. Die große Menge der Landestöchter wuchs in Einfachheit und Mäßigkeit auf. Dafür sorgten auch die Behörden, was uns Schickfuß mitunter recht humorvoll beweist. Ich weise zunächst auf das hin, was er von den Breslau erinnern sagt (Cap. 8, Buch 4): »Und man sol nicht bald einen Ort finden, da man reinlicher, besser und köstlicher Speise zurichtet und da es in Haußhaltungen ordentlicher und richtiger zugehet als in dieser Stadt. Ich bitte Gott demütig, er wolle diß Land und diese Stadt, die ein Ehren Cron des gantzen Landes ist, gnediglich beschützen. Sehr interessant sind die Siadtleges von Brieg (C. Xi 60 zählt er auf.

Sie beweisen, wie die Weiber in Zaum gehalten wurden.
Lex 27 lautet: Daß man kein unzüchtiges Wesen verstatte.
Lex 26 lautet: Daß keine Kammer Mägde einnehme. ( Sollte wohl heißen: daß man in keine Kammer Mägde nehme. )
Lex 35 lautet: Daß man keine Jungfrau vom Tanz heimführe (Das ergibt also: daß man Tanzlokale gar nicht aufsuchen solle. Eine andere Auslegung ist aber auch möglich. Aus allen diesen Leges ersieht man, daß man mit aller Strenge jedem Unfug und jeder Unzucht gesteuert hat.)
Lex 42 lautet: Daß niemand im Tanze sich verdrehe.
Lex 41 lautet: Daß man zu den Hochzeiten zu jedem Tische nur zweene Gesellen bitte.
Lex 57 lautet: Die ungebetenen Frauenpersonen sollen nicht einlauffen.
Lex 59 lautet: Man soll sich zeitlich nach Hause verfügen
Lex 60 lautet: … und bey keinem Nacht Tanzen sich finden lassen.

Dazu setzt Schickfuß folgende Worte, die den Tacitus und Cato verraten: Diese Stadtleges können in einer jeden Gemeine, wo nicht sämptlichen, dennoch zum meisten gebraucht werden. Was wohl unsere Schlesierinnen dazu sagen würden, würde man diese Leges behördlicherseits handhaben?

Kap. XII. spricht er von Jawer und Hirschberg. »Insonderheit ist das Weibervolk sehr embsig und fleißig allerley Bärten und Schleyer zu wircken zu bleichen und auffs schönste zuzurichten, welche in großer Anzahl von frembden Schotten Juden und Polacken abgeholet und von den lnnwohnern selbst in ferne Lande geführet und verschicket werden.«

(Dazu vergleiche man, was er über Brieg (C. X) sagt: »Es kommen neben den Einländischen auch dahin viele Mährer Ungarn Siebenbürger u. a., welche daselbsten doch mit zuvor erho]eter gnediger Einwilligung des Landesfürsten sich ordiniren lassen«. Und bei llenelius C. 5 5. 59 lesen wir: »Ergo advenas et peregrinos Silesii perq. humani et benigni optimisque moribus hoc ab us impetrarunt, ut cum hic habitare coeparint, alia in patria se natos esse obliviscantur . . . . Magna sunt iisdeni variarum rerum tam inter se quam vicinis cum gentibus commercia.«)

Man vergleiche dabei, was Henelius C. 5 sagt von den Schlesiern:

accipere etiam elegantem quandam dexteritatem ad res magnas efficiendas.

Geschickt waren also nicht bloß die Männer, auch die Weiber (nach Schickfuß).Die vortreffliche Erziehung, die die Kinder im Elternhause genossen, hatte 2 beachtenswerte Folgen: DieJünglinge gelangten zu angesehenen Stellungen und die Mädchen - rasch unter die Haube.
Dafür seien einige Beispiele gebracht.
Bey der Stadt Crossen (Schiekfuß IV, C. 15) hat weiland Herr Martinus Benckendorff bey der Rechten Licentiat, Marggräffischer Lüstrinischer Rath und Bürgermeister zu Crossen lange Zeit gewohnet (Sohn des Andreas Benckendorff und einer gebornen Vintzelbergerin). Geboren wurde er 1489 zu Soldtwehdel. In Crossen hat er glücklich geheuratet anno 1539 des Bürgermeisters Herren Clementis Cnöspel hinterlassene Wittib, weiland Herrn Sebastiani Dörings Cämmerers zu Franckfurt Tochter, welche materna origine entsprossen aus dem alten vornehmen Geschlechte der Blanckfelde. Diese beyde Eheleute haben lange Zeit in geruhsamer Ehe bey einander gewohnet und 3 Söhne erzeuget als: Martinum 1545 im Monat December, Christophorum 1548 Sonntags nach Aegidi und Andrea m. Andreas wurde Kauffhändler in Crossen. Die 2 andern studierten fleißig und kamen beyde auf die Univ. Franckfurt a. O. Beyde wurden in Franckfurt 1566 promoviert (in artibus liberalibusQ, und zwar Decano Henrico Paxmanno philosophiae et medicinae Doctore wurden sie zu Magistros promoviret« Martinus wurde sogar Decan und Rector. »Dreymahl hat sich Martinus verheuratet, u. zw. anfangs zu Cottbuß mit der damahln viel Ehrentugendreichen Jungfrawen Elisabeth Herren Antonij Klummens Raths verwandten daselbsten einigen (soll heißen einzigen) Tochter, mit welcher er ins siebenzehende Jahr eine friedtsame und liebreiche Ehe besessen und mit ihr fünff Töchter Elisabetham, Mariam, Christinam, Reginam, Blandinam erzeuget und erzogen, so alle mit grossen Frewden wol und ehrlich ausgesetzet, dann auch einen Sohn gleichen Namens«.

Dieser wurde Dr. juris zu Marpurck, praktizierte in Franckstein und starb zu Landeck 10. V. 1615. Martinus der Vater, geb. 1545, starb 76 Jahre alt 1621. Christophorus errang auch viel Ansehen. Er wurde Sekretär des Markgrafen Albert Friedrich, Herzogs in Preußen. 1586 wurde er Kammerrat beim Churfürsten Johann Georg, Markgrafen zu Brandenburg in Berlin, und 1598 Vizekanzler. Er verheiratete sich mit Katharine, einer gebor. Mellemannin, und erhielt von ihr 3 Töchter und einen Sohn Christophorus, Die Töchter hießen Elisabeth, Eva und Sophia. Der Sohn Christophorus wurde später churfürstlich brandenburgischer Rat. Christophorus, der Vater, (geb. 1548) starb zu Warschau 23. Februar 1605, 10 Uhr vormittags, 57 Jahre alt und wurde in Berlin bestattet. Im Kondukt sah man den Kurfürsten Joh. Sigmund, den Markgrafen Joh. Georg und den Markgrafen Ernst.

Daß auch fürstliche Damen mit gutem Beispiele vorangingen, beweist uns Mechtilde, die Tochter des Herzogs Albrecht zu Braunschweig, also die Frau des Herzogs Heinrich III. von Freystadt. Sie lebte um 1300 und wird von Schickfuß (Cap. 23, B. 3) “ein heilig und verstendig Weib« genannt. Eine edle Frau war ferner Margaretha von Cilien, Wladislaw Herzogs zu Teschen und Glogau Witwe. Da sie der Stadt Buhraw (Cap. 24) viel gutes erwiesen, so haben sie die Einwohner sehr geliebt und sie wider den Herzog Hansen zu Sagan und seine Gewalttaten und Tyrannei geschützt. Das geschah, als er (Hansen) Glogau (besprochen i. Kap. 22) halb eingenommen hatte und die Herzogin vertrieb.

Es sei noch auf einige bürgerliche Ehen hingewiesen, zunächst auf das Geschlecht der Gastonen in Schwiebus (Cap. 27). Der Bürgermeister Adolf Gasto war 60 Jahre im Ehestand und hatte 110 Kinder und Kindeskinder. Von den Söhnen dieses Mannes wurden Wolfgang, Gabriel und Abraham sehr tüchtige Männer.

Endlich sei noch zweier Verwandter des Chronisten Schickfuß gedacht. Bonaventura Schickfuß, geb. 1500, hat am 14. Jänner 1534 die Frau Anna Jänckin, des Herrn Valentin Tauchritz hinterlassene Witwe, geheiratet. Dieser Bonaventura, der 1546 Bürgermeister (von Schwiebus?) wurde, starb 73 Jahre alt, am 26. Jänner 1573. Ein anderer Bonaventura Schickfuß, geb. 1547, heiratete die Frau Hedwig Guschmännin und starb, 71 Jahre alt, am

10. November 1618. (Aus der Darstel]ung bei Schickfuß ist leider nicht klar zu ersehen, auf welche Stadt sich die Angaben über die 2 Bonaventura Schickfuß beziehen. Unser Chronist spricht im Kap. 27 von Schwiebus. Ich vermute aber, daß diese Schickfuß Breslauer gewesen sind. Leider stehen mir in Bielitz, einem rein merkantilen und industriellen Emporium, gar keine Hilfsmittel zur Verfügung, um da Klarheit zu schaffen. Meine Vermutung stütze ich damit, daß unser Chronist Jakob Schickfuß Breslau mit besonders ehrenden Worten herausstreicht. Ich verweise auf das Lob, das er den Breslauerinnen zollt, ferner auf das, das er den Breslauer Gelehrten spendet. Da deckt sich Schick- fuß vollständig mit Henelius C. V. Auch Philipp Melanchthon beweist, daß Schlesien und besonders Breslau manche Gelehrte hervorgebracht hat. Cuius (id est Melanchtoni) haec de

Silesia verba in epistola ad Henricuni Lignicensiurn Ducem perscripta hodie extant: Non alia gens in Germania plures habet eruditos viros in tota philosophia et Urbs V rat‘s 1 a vi a non solum habet artifices industrios et ingeniosos circes peregrinatores sed etiam Senatum munificuni in juvandis literarum et artium studiis. Nec in ulla parte Gernianiae plures ex populo discunt et intelligunt doctrinas. Multi etiam ad poesin et eloquentiam idonei sunt, lirsini, Logi, Rosini, Langi carmina doctissimi viri in ltalia laudarunt.)

Die Tatsache, daß den Schlesierinnen um Männer nicht bange zu sein brauchte, muß umso mehr ins Gewicht fallen, wenn wir hören, wie sehr das Heiraten durch behördliche Vorschriften erschwert worden ist. Darüber berichtet uns Job. Anton Ritter v. Friedenberg in seinem »Tractatus«, gedruckt 1741 . (Joannis Antonii Equitis de Friedeberg Regii officii Ducatus Wratislaviensis Consiliarii lractatus juridico practicus de generalibus et particularibus quibusdarn Silesiae juribus.Breslau Joh. Jac. Korn Tomus II.) Kap. 29, p. 74 heißt es da: Unterthänige Magd oder Wittib kan sich unter andere Herrschafft, wann sie ihren Loßbrieff hat, verheyrathen. Heyrathet ein unpossessionirter Unterthan eine possessionirte Wittib unter einem andern Herrn, so soll ihn der Herr loßlassen. Will sie aber dem maritimo folgen, so muß sie ihre Stelle mit einem annehmlichen Mann besitzen. Und p. 84 heißt es: Keine Herrschafft soll einem Wittiber noch Wittib den Heyraths Consens ertheilen, sie haben dann (d. h. ausgenommen wenn sie ) die ErbSonderung vor die Kinder gemacht.

Diese Vorschriften beziehen sich allerdings auf die Dienenden. Aber das Heiraten wurde auch den besseren Kreisen nicht leicht gemacht. Denn wir lesen: Die Herrschaften und Obrigkeiten sind schuldig, keinem Wittiber noch Wittib einen Consens zu einer neuen Verheyrathung zu ertheylen, ehe bevor die Veranschlagung der Kinder erfolget und ihnen das Vater- oder Mutter Theyl gerichtlich außgesetzet und versichert worden.«

Ferner hören wir: »Der Mann ist die Kinder von dem seinigen auszusetzen und ihnen Hochzeit zu machen schuldig, nicht das Weib. Der Mann kann von des Weibes Sachen nichts versetzen. Die Eheweiber können (aber auch) von des Mannes Sachen wider seinen Willen nichts versetzen.« Das berichtet Schickfuß C. 29, p. 85 u. w. Natürlich lasteten auf den Bauern die schärfsten Vorschriften, so daß das Heiraten für Bauersleute gerade kein angenehmer Akt sein konnte. Ich will nur kurz das Wichtigste herausheben. »Bey Bauern Zusagen Hochzeiten und Träuungen ist das Schüssen und Plätzen im Heinrichauischen poenaliter verbothen (K. 29, p. 17). Im gantzen Münsterbergischen Fürstenthum und Franckensteinischen territorio ist keinem vom Bauren Stande erlaubet, bey Hochzeit Freuden GevatterEssen Kürmessen Sonntäglichen Täntzen in denen Krätschamen (d.h. Wirtshäusern) und anderen vorhabenden Lustbarkeiten bey 6 Reichsthaler Straff so einer jeden Orts Obrigkeit deducta tertia Denunciantis heymfället sich weder der Waldhörner noch der Trompeten zu gebrauchen.« Buch II, K. 29, § VI Schickfuß, heißt es: »Der Kesselpaucken und Trompeten mögen sich die Stadt- und Kunstpfeiffer bey Hochzeiten und a. Zusammenkünfften zwar gebrauchen, keineswegs aber bey gemeinen Bürgerlichen und Bauer-Hochzeiten, weilen Paucken und Trompeten (meines Erachtens leitet sich von diesem Umstand auch das sprichwörtliche „mit Pauken und Trompeten“ ab.) ein Adeliches Instrument und sonst niemanden zugelassen seyn als dem Fürsten- und Herren Stande und in vornehmen Städten vornehmen Ambts Personen nach derer Herren Fürsten und Stände Schluß (nämlich Beschluß) de anno 1650 den 29. April. Codex Siles. Wie viel lehrt uns diese Vorschrift!

Das “Schüssen und Plätzen« wurde verboten durch ein Regierungspatent vom 5. Dezember 1818, Cod. Siles.

Der Cod. Siles. gibt ferner an, daß für das Heinrichauische Clostergestifft unter dem 12. Dezember 1718 anbefohlen wurde, daß Braut und Bräutigam mit den Hochzeitsgästen sich nachmittags um 3 Uhr in der Kirche einstellen, wenigstens abends um 9 Uhr in Krätscham gehen und über 12 Uhr in Krätscharn nicht verbleiben, nachgehends aber (d. h. nachher) kein Mensch sich unterstehen solle wiederum ins Hochzeit Hauß zu gehen, alles bey grosser und wohlempfindlicher Bestraffung.

»Wegen der andern Nacht Täntze in Krätschamen« wurde unterm 11. Juni 1706 Sign. 63 Cod. Siles. folgendes verordnet: »Daß der Tanz auff denen Heinrichauischen StifftsDörfern, in Krätschamen, in denen Orten, wo Dreydings Articul vorhanden, von Pfingsten bis auff den Advent, nicht über 10 Uhr, wo aber keine Dreydings Articul vorhanden, bis zu würcklichem Anbruche der Nacht und von Heil. Drey Könige bis auff Fastnacht nicht über 9 Uhr oder in Ermanglung der Dreydings Artikul bis ein drey Hellerlicht verbrennt ist, bey der in Dreydings Articuln ausgesetzten Straff dauern, denen Dreydings Articuln nachgelebet, über bemeldte Zeit in Wirthshäusern keine Zusammenkünfften gestattet, von Krätschamern dieses genau beobachtet und die Übertretung dessen von denen Gerichten bey Straffe angemeldet werden solle. Jedoch Hochzeiten und Eheverlöbnisse hiervon ausgenommen.« Man ging also dem jungen Volk scharf auf die Kappe. Wir können ferner den Schluß ziehen, daß im Heinrichauischen Gebiete manche Unzukömmlichkeiten vorgekommen sein müssen. Wenigstens waren die Leute temperamentvoller und unternehmungslustiger als in anderen Gebieten. Man hätte sonst das Klostergestift Heinrichsau nicht mit soviel behördlicher Aufmerksamkeit heimgesucht. Als letzte archivalische Belege setze ich noch folgendes hierher: Puber wird eine Tochter in Schlesien completo duo decimo anno , die Söhne aber completo decimo quarto . (Schickfuß C. 33 p. 193.)

Majorenn werden die Töchter wie die Söhne completo vigesimo primo anno . (C. 33, p. 193). Aus all dem Vorgebrachten gewinnen wir den Blick in eine zwar behördlicherseits streng bewachte, aber durch ihre Frauengestalten uns angenehm fesselnde Zeit.

 

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