Wie zeichnet man ein Wappen - ein Praxisbeispiel


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Die heraldische Literatur speziell zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen ganz ansehnlichen Zuwachs an Publikationen erhalten, aber die Mehrzahl derselben ist, mit wenigen Ausnahmen, leicht anwendbar. Die Autoren boten viel, viel zu viel; sie hatten im Gedanken stets einen speziellen Liebhaber ihrer Disziplin vor sich, der gleich ihnen für alle Details, und seien sie noch so nebensächlich, Interesse besitzt und dem natürlich der Autor nie genug vorzusetzen vermag. Die Mehrzahl der Leser - Liebhaber sind ja doch nur in sehr beschränkter Anzahl vorhanden wird nur zu oft durch all den beigestellten theoretischen und historischen Aufputz ermüdet und findet die Geschichte zu langwierig und am Ende gar langweilig. Sie will das für sie praktisch verwertbare nicht erst selbst herausschälen, sondern bereits fein säuberlich zum Verbrauche hergerichtet vor sich gestellt haben. "Viele Bilder, wenig Text" ist ihre Devise, und in dieser Beziehung hat sie auch nicht so unrecht. Was interessieren einen Dekorationsmaler, einen Graveur uw. die heraldischen Findlinge in den Dichtungen der Minnesänger, die kindlichen Zeichnungen auf der Tapete aus dem Dome zu Bayeux u. dergI., er will vor allem anderen wissen, wie er ein gotisches Wappen, ein Wappen aus der Renaissancezeit usw. herzustellenhat.

Es ist Sache des heraldischen Fachmannes, ihm die passenden Muster aus der heraldischen Schatzkammer herauszusuchen, ihn auf die Kennzeichen des betreffenden Stiles aufmerksam zu machen. Woher die Fachmänner die Muster genommen haben, aus welchen Vergleichen die Kennzeichen des Stiles herauskonstruiert wurden, das hat für den Kunstgewerbetreibenden ein geringes Interesse. Er will nicht wissen, wie die Speise gekocht wird, sondern er will sie einfach essen. Er hat weder die dazu nötige Zeit, noch die erforderliche Vorbildung für dieses Spezialfach, denn er hat andere, für ihn und sein Geschäft wichtigere Dinge zu besorgen, er kann gegebenen Falls nur fragen, nicht selbst ermitteln. Prof. Hildebrandt hat seinerzeit in seinem "Heraldischen Musterbuch" als erster den einzig richtigen Weg eingeschlagen, die heraldischen Stile der verschiedenen Jahrhunderte an einem und demselben Wappenbilde vorzuführen. Durch das Vergleichen dieser Wappenbilder untereinander lernt der Beschauer für die Praxis mehr, als durch das blose Lesen selbst der dickleibigsten Lehrbücher.

Auch wir wollen diesen Weg einschlagen und an der Hand einiger praktischer Beispiele den Leser dieser Zeilen in den Bereich der heraldischen Kunst einführen. Nehmen wir an, es erteile uns irgend jemand den Auftrag, ein Wappen mit der Blasonierung: Schild: in Rot ein goldener Löwe, Kleinod: zwei von Rot und Gold wechselweise geteilte Büffelhörner, darzustellen. Die erste Frage, die uns der Besteller zu beantworten hat, ist: weIcher Zeit soll das Wappen dem Stile nach entsprechen, und die zweite: welchem Zwecke soll das Wappen dienen. Auch die zweite Frage müssen wir vorher beantwortet haben, ehe wir zur Ausführung schreiten, weil die Stellung des; Wappens, ob vorwärts- oder seitwärtsgekehrt, von der Bestimmung des Wappens abhängig ist. Der Besteller wünscht das Wappen im frühgotischen Stile (zweite Hälfte des XII. bis in die ersten Jahre des XIV. Jahrhunderts) und soll dasselbe in einer Kirche angebracht werden. In diesem Falle müssen wir sofort fragen, an weIcher Stelle der Kirche das Wappenbild prangen wird, denn es hängt von dem Platze ab, ob das Wappen nach vorne, nach rechts oder links zu kehren ist, weil das Wappen seine vordere Seite stets dem Altare zukehren muss.

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Wird das Wappen z. B. an der Chorbrüstung angebracht, so hat es nach vorne (1) zu sehen erscheint es an der rechten Seitenwand der Kirche, so ist es nach heraldisch rechts zu kehren (2), soll es aber an der linken Kirchenwand angebracht werden, so ist das Wappenbild nach heraldisch links zu richten (3)

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Wäre das Wappen für eine sogenannte Alliancegruppe bestimmt, so müssen wir fragen, ob das Wappen dem Manne oder der Frau zugehört, weil auch in diesem Falle verschiedene Stellungen des Wappens einzuhalten sind. Das Wappen der Frau blickt nach rechts, jenes des Mannes nach links, sodass sich beide Wappen ansehen (4). Wünscht der Besteller das Wappen als Dekoration für Karten, Briefbogen u. dergIeichen so ist das Wappen nach heraldisch links zu kehren, damit es der Anrede, dem Texte nicht den Rücken zuwende (5). Man bezeichnet diese Rücksichtnahme "heraldische Courtoisie". Sie ist auch in anderen Fällen, wo zwei oder mehrere Wappen in irgend eine Verbindung treten, zum Ausdruck zu bringen, z. B. bei Randeinfassungen mit Wappenbildern,

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so bei Diplomen, Adressen usw. Man setzt das vornehmste Wappen oben in die Mitte, die anderen in die Seitenleisten nach einwärts gekehrt, gewissermaßen das mittlere Wappen anblickend (6). Nachdem wir von unserem Besteller erfahren haben, dass das verlangte Wappen im frühgotischen Stile aufgerissen werden soll und dasselbe als Dekoration für eine rechtsseitige Kirchenwand bestimmt ist, können wir zur Ausarbeitung des Wappenentwurfes übergehen. Der Frühgotik entspricht der schlanke Dreieckschild, die Axe zur oberen Schildkante im ungefähren Verhältnisse von 10: 7 stehend. Wie sieht nun ein frühgotischer Löwe aus ? Kopf, Rumpf und linke Hinterpranke fallen in die Schildaxe. Die rechte Vorderund Hinterpranke sind schräg aufwärts, die linke Vorderpranke wagrecht aus gestreckt und geben somit obenstehende schematische Figur (7), durch ein Haarbüschel in der Mitte verdickt, die Endquaste körperwärts eingeschlagen. Die Pranken zeigen drei knollenartige Zehen, aus denen die Krallen hervorbrechen

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Der Körper ist wenig behaart, die Haarbüschel mehr oder weniger parallel gelagert (8). Diese Formation ist der Grundtypus des frühgotischen Löwen, wie er sich um die Mitte des XIII. Jahrhunderts sphragistisch nachweisen lässt. Die Stellung der Füsse ist zwar nicht immer genau nach obiger Schablone - keine Regel ohne Ausnahme-, die Mehrzahl entspricht aber in den Hauptpunkten dem hier vorgeführten Aufrisse.

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Bei der Zeichnung des Löwen, wie überhaupt bei jeder Figur, ist eine gleichmässige Ausbreitung der Figur über die ganze Schildfläche zu bewerkstelligen. Das zweite Hauptstück eines Wappens ist der Helm mit seinem Kleinod, seiner Decke. Der Topfhelm ist die älteste Helmform, die heraldischen Schmuck aufweist, seit dieser nun eine einfache Bemalung der Helmwände, oder eine am Helme befestigte Figur, ein sogenanntes Kleinod oder Zimier. Der Topfhelm war oben etwas schräg abgeplattet, saß frei auf dem Kopfe und wurde mit Bändern, Riemen oder Schnüren unter dem Kinne befestigt. Das Helmkleinod konnte nicht gross, die Helmdecke nicht lang sein, weil sonst der Helm das Gleichgewicht verloren hätte (9). Bei der Zeichnung des Helmes vergesse man nicht, dass die vordere Eisenplatte des Helmes über die rückwärtige Platte gelegt ist, die Nieten oder Nagelköpfe also vor der Plattenkante und nicht hinter dieser (10) angebracht werden müssen. Da es, wie leicht begreiflich, besonders während eines hitzigen Kampfes unter diesem Eisentopfe ziemlich dunstig sein konnte, waren um Luft zuzuführen, Luftlöcher unter den Helmfenstern (Sehspalten) angebracht.

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Über den Rückenteil des Helmes wurde die Helmdecke gelegt, die in der ältesten Zeit kappenartig nur den Helm bedeckte (11), später sich über den Nacken verlängerte (12). Nun kommen wir zum Helmkleinode, den Büffelhörnern.

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Die Hörner lassen sich, da der Helm oben abgeplattet ist, nur seitwärts ansetzen,sind in jener früheren Zeit kurz und gedrungen, sichelartig gekrümmt, die Spitzen einander zugewendet (13). Nachdem wir alles zusammengetragen haben, was wir zur Zeichnung des verlangten Wappens benötigen, setzen wir den Helm mit seinem Kleinode in nach heraldisch
rechtsgewendeter Stellung auf den Schild, der, wie alle Dreiecksschilde der gotischen Periode, schräg gestellt werden muss, gewissermassen an seiner Schildfessel hängend.

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Die Tinkturen tragen wir, ohne viel zu schattieren, nach Angabe der Blasonierung auf - wir haben es, in dieser schwarz weiss Abbildung, hier mittels heraldischer Schraffur angedeutet (14) - und
haben hiermit unsere erste Aufgabe vollendet.

Autor: S.H.

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